Fazialisparese und Auge

Fazialisparese und Auge

Kategorien: SehproblemeVeröffentlicht am: 30. März 2022Von 6,3 min LesezeitAktualisiert: 30. März 2022

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Inhaltsverzeichnis

fazialisparese und auge

Der paarige Nervus facialis versorgt beziehungsweise steuert in seiner Eigenschaft als siebter Hirnnerv vor allem die Ringmuskeln rund um die Augen, darüber hinaus aber auch noch andere wichtige Muskeln im Bereich des Gesichts. Nicht auszudenken, was passiert, wenn hierbei eine einseitige Lähmung, die Fazialisparese, auftritt. Bei einer Fazialisparese handelt es sich um eine Lähmung, bei der der Gesichtsnerv betroffen ist. Die Impulse aus dem Gehirn laufen über den Gesichtsnerv hin zu den Muskeln von Stirn, Wangen, Mund und Hals. Bei dieser Parese, der Gesichtslähmung, kommt es zu einem Teilausfall motorischer Funktionen eines einzelnen Muskels im Gesicht.

Was versteht man unter einer Fazialisparese und was sind die Ursachen?

Der Ursachen für eine Fazialisparese gibt es viele. Infrage kommen unter anderem:

  • Diabetes
  • Multiple Sklerose
  • Borreliose (durch Zecken übertragene Bakterien)
  • andere Infektionen
  • ein Unfall
  • Tumorbildung

In manchen Fällen besteht eine Fazialisparese schon seit der Geburt oder die Schädigung tritt vorübergehend nach beziehungsweise durch eine Impfung auf. Sehr oft ist es ein Schlaganfall (Apoplex), der so eine Gesichtslähmung auslöst. Daneben kommen Verletzungen, Entzündungen oder Tumore infrage. In mehr als der Hälfte der Fälle gelingt es aber nicht, die Ursache eindeutig zu bestimmen. Bei einer spontanen Nervenlähmung, deren Grund nicht ermittelt werden kann, spricht die Medizin von einer idiopathischen Fazialisparese.

Der Nervus facialis ist nicht nur für die mimische Muskulatur zuständig, sehr wichtig ist auch sein steuernder Einfluss auf die Tränendrüsen. Ist dieser Nerv beeinträchtigt, kommt es zu einer Erschlaffung der Muskulatur auf einer Gesichtshälfte. Daraus ergibt sich häufig eine Auswärtsdrehung des Unterlides (Ektropium) mit herabhängender Augenbraue (Brauenptosis) und einem einseitig hängenden Mundwinkel. Da das Auge auf der betroffenen Seite nicht mehr geschlossen werden kann, ist das so wichtige Blinzeln zur Befeuchtung des Auges nicht mehr möglich.

Auswirkungen einer Fazialisparese auf das Auge (Symptome)

Ein ganz typisches Symptom dieser Erkrankung ist ein unvollständiger Lidschluss (Lagophthalmus). Dabei steht das Unterlid etwas tiefer als normal, weil der Ringmuskel vom Nervus facialis zu wenig Steuerung erfährt, das Auge komplett zu verschliessen. Hierdurch besteht die Gefahr, dass sich daraus ein Hornhautgeschwür (Hornhautentzündung) entwickelt, das zu einer Vernarbung der Hornhaut führt, die wiederum eine bleibende Sehverschlechterung zur Folge hat. Es sind hier gleich drei Faktoren, die gemeinsam in eine fatale Richtung wirken:

  • das Lidschlussdefizit
  • das Unvermögen zu blinzeln
  • eine deutlich verminderte Tränenproduktion

Klassische Behandlungen mit Uhrglasverband und Befeuchtungstherapie

Um das Auge, welches nicht komplett geschlossen werden kann, nicht austrocknen zu lassen, hat sich der sogenannte Uhrglasverband mit einem Pflaster bewährt, weil sich darunter eine einigermassen feuchte Kammer ausbildet. Ein solcher Uhrglasverband wird nachts in Kombination mit einer Augensalbe getragen. Des Weiteren kommen auch tagsüber Augentropfen und Augengele zur Anwendung.

Wenn die Fazialis-Lähmung noch nicht zu lange besteht, wird zunächst das trockene Auge behandelt. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Lähmung hoffentlich von selbst wieder zurückbildet. Ist dies nicht der Fall, geht es darum, die Lidschluss-Funktion wieder herzustellen oder zumindest deutlich zu verbessern, denn eine permanente Augenreizung kann im Extremfall zu einem Hornhautgeschwür führen, das später mit völligem Sehverlust einhergeht.

Zu den konservativen Therapien, die hier gegebenenfalls zur Anwendung kommen können, zählen ausserdem:

  • Logopädie
  • Physio- und Ergotherapie
  • Botulinumtoxin

Unterlidstraffung als Therapieoption

Bewährt hat sich in diesem Zusammenhang die Straffung des Unterlides mittels einer Zügelplastik. Wenn sich im Zuge der Muskellähmung eine Brauenptosis entwickelt, die zu einer deutlichen Einschränkung des Gesichtsfeldes führt und auch kosmetisch ziemlich relevant ist, kann dies durch eine Brauenhebung weitgehend ausgeglichen werden.

Neue Behandlungsmethode mit Gold- oder Platin-Implantaten

Um den so wichtigen Lidschluss bewerkstelligen zu können, hat sich die Implantation eines Lidgewichts ins Oberlid bewährt. Dadurch kann das Auge endlich wieder blinzeln. Zu diesem Zweck wird unter die Haut des Oberlids ein dünnes Platin-Implantat auf den Lidknorpel gesetzt. Auch in kosmetischer Hinsicht ist diese Methode sehr effektiv.

Die Dichte von Platin beträgt 21,45 Gramm pro Kubikzentimeter, jene von Gold 19,32. Daher bringt so ein dünnes Plättchen ein für den Lidschluss ausreichendes Gewicht von circa einem Gramm mit, wobei Edelmetalle keinerlei unerwünschte biochemische Reaktionen am Ort ihres Einsatzes betreiben. Die sich daraus ergebende Konturierung des Oberlids ist so minimal, dass sich das kosmetische Ergebnis sehen lassen kann.

Solch ein Platin-Implantat besteht übrigens aus mehreren Einzelelementen, sodass es sich exakt an die Rundung beziehungsweise den Bogen des Lidknorpels (Tarsus) anpasst. Die bisherigen Gold-Implantate waren eher etwas zu starr und wurden daher weniger gut vertragen.

Operative Eingriffe

Abhängig vom Ausmass der Fazialisparese kommen vor allem zwei Arten von Operationen infrage.

  1. Lateraler Block
    Diese OP entspricht jener beim Ektropium und verfolgt das Ziel der Straffung des Unterlides.
  2. Gold- oder Platingewicht im Oberlid
    Diese Methode kommt bei besonders ausgeprägter Lidschlussschwäche zur Anwendung. Vor der OP kann der Arzt recht genau bestimmen, welches zusätzliche Gewicht ins Oberlid eingenäht werden sollte.

Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer operativer Eingriffe, die in der folgenden Weise unterschieden werden:
Statische Methoden

  • Unterlidstraffung und Rekonstruktion
  • Aufhängeplastiken
  • Gold- und Platinimplantate

Dynamische Methoden

  • „Time-is-muscle“ (Timing)
  • Freie Muskeltransplantation
  • Motorische Ersatzplastiken
  • Nervenumlagerungen und Nerventransplantationen
  • Selektive Neurektomie und Myektomie

Ästhetische Korrekturen

  • Brauenanhebung
  • Fetttransplantation
  • Facelift
  • Nasolabialfalte

Risiken und Komplikationen

Wie auch bei jedem anderen operativen Eingriff kann es zu einer Infektion im Bereich des Wundgebiets kommen, wenngleich dies bei derartigen Lidoperationen nur sehr selten der Fall ist. Eine antibiotische Behandlung führt hier in aller Regel zum Erfolg. Da der Fazialis-Nerv weiterhin gelähmt ist, wird eine vollständige kosmetische Normalisierung der Lidstellung aber nicht eintreten können. Der Eingriff dient in erster Linie der Gewährleistung des Lidschlusses, um einer Gefährdung der Hornhaut vorzubeugen.

Zusammenfassung und Prognose

Die Hornhaut (Cornea) stellt die Augenoberfläche dar. Sie muss regelmässig durch einen Tränenfilm befeuchtet und zugleich desinfiziert werden. Dieser permanente Tränenfilm wird durch unzureichenden Lidschluss arg gestört, was schon innerhalb weniger Wochen bis zur Zerstörung der Hornhaut und somit zu einem kompletten Visusverlust führen kann.

Wenn das zu schlaffe Unterlid in etwa mittig „durchhängt“, spricht man in der Medizin von einem Unterlidektropium, das sogar einen Kontaktverlust zwischen Augapfel und Lid bedeuten kann. Die Tränenflüssigkeit sammelt sich dann oftmals in einem „Tränensee“ im Unterlid an, was scharfes Sehen völlig unterbindet. Da der kleine See ständig überläuft, entsteht chronisches Tränenlaufen (Epiphora).

In diesem Fall ist eine Unterlidstraffung zu empfehlen, bei der der Tarsalknorpel etwas verkürzt wird. Wenn das Ektropium relativ stark ausgeprägt ist, muss das Unterlid in seiner Struktur verstärkt werden, um das ursprüngliche Ektropium zu rekonstruieren. Dazu wir ein kleiner Sehnenstreifen zum Beispiel aus dem Vorfuss oder dem Unterarm eingebracht.

Auf jeden Fall erfüllt die Tränenflüssigkeit ihren Zweck nicht mehr, weil sie den Augapfel nicht mehr benetzen kann. In der Konsequenz leidet der Patient unter einem trockenen Auge. Zudem geht bei einer Fazialisparese der Blinzelreflex nach und nach verloren.

Besonders störend und austrocknend wirkt sich der behinderte Augenschluss nachts beim Schlafen aus. Es dauert nicht lange, bis sich eine chronisch-reizende Bindehautentzündung (Konjunktivitis) einstellt, die mit starker Rötung und unwiderstehlichem Juckreiz verbunden ist. Der Augenarzt spricht in diesem Fall von einer Keratokonjunktivitis.

Beim „Bell-Phänomen“ handelt es sich um einen Lidschlussreflex dergestalt, dass die Augäpfel beim Schliessen der Lider nach oben rollen, wobei das Augenweiss (Sklera) sichtbar wird. Auch an dieser reflexartigen Bewegung ist im Wesentlichen der Fazialisnerv beteiligt.

Quellen

  • Timothy L Jackson: Moorfields Manual of Ophthalmology, third edition, Seite 35-38.
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