Lebersche kongenitale Amaurose

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Lebersche kongenitale Amaurose

Kategorien: Syndrome & AugenerkrankungenVeröffentlicht am: 17. Juni 2019Von 10,6 min LesezeitAktualisiert: 17. Juni 2019
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Inhaltsverzeichnis

Lebersche-kongenitale-Amaurose-Untersuchung

Die Erbkrankheit, die rasch zur Erblindung führt

Die sogenannte Lebersche kongenitale Amaurose zählt zu den angeborenen Augenerkrankungen. Benannt wurde sie nach dem deutschen Augenarzt Theodor Carl Gustav von Leber, der sie im Jahre 1869 zum ersten Mal beschrieb. 

Der Begriff Amaurose wird von dem griechischen Wort ‹amauros› hergeleitet, was mit ‹dunkel› bzw. ‹blind übersetzt werden kann. In der medizinischen Fachsprache ist die Erbkrankheit ausserdem unter den Bezeichnungen kongenitale tapeto-retinale Amaurose oder kurz LCA bekannt. 

Konkret handelt es sich dabei um eine Störung des retinalen Pigmentepithels, die mit einer Degeneration der Aderhaut einhergeht. LCA kann mit Mutationen in Genen assoziiert sein, die in Verbindung mit Syndromen auftreten – Alström-Syndrom, Joubert-Syndrom, Stargardt-Syndrom, Senior-Loken-Syndrom und Konorenal-Syndrom.

In diesem Beitrag erhalten Sie essentielle Informationen zu diesem Krankheitsbild, Ursachen, Erscheinungsformen, Symptomatik und therapeutische Massnahmen eingeschlossen.

Die Lebersche kongenitale Amaurose: Wissenswertes zur Begrifflichkeit, Entstehung & Erscheinungsform

Das wohl markanteste Merkmal der Leberschen kongenitalen Amaurose findet sich in der Tatsache, dass die Betroffenen bei der Geburt nicht, wie es in der Redewendung so schön heisst, das Licht der Welt erblicken, sondern stattdessen bereits erhebliche Sehbehinderungen bis hin zur vollkommen Blindheit aufweisen.

In Zahlen ausgedrückt werden rund 10 Prozent der Fälle, in denen eine angeborene Blindheit festgestellt wird, einer zugrundeliegenden LCA zugeschrieben.

Dabei ist es gleichermassen dem ‹Entdecker› dieses Krankheitsbildes zu verdanken, dass die essentielle Rolle, die genetische Faktoren bei der Erkrankung spielen, frühzeitig erkannt wurde. 

Entsprechend stellte dieser mittels sorgfältiger Beobachtungen rasch fest, dass enge Verwandte oftmals unter dem gleichen Krankheitsbild leiden. 

Schätzungen zufolge schlägt sich dies in einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, – diese liegt bei ungefähr 25 Prozent -, nieder, dass die Lebersche kongenitale Amaurose auch bei jüngeren Geschwistern diagnostiziert wird, wenn ein älterer Bruder oder eine ältere Schwester bereits erkrankt ist.

Hinweis: An dieser Stelle ist auf die grosse Gefahr der Verwechslung der Leberschen kongenitalen Amaurose mit der sogenannten Leberschen hereditären Optikusatrophie zu verweisen. 

Dabei handelt es sich jedoch um zwei vollkommen unterschiedliche Krankheitsbilder, die verschiedene Bereiche des Auges in Mitleidenschaft ziehen.

Während durch die LCA (Amaurosis congenita Leber) Netzhaut und Aderhaut angegriffen werden, leidet unter den destruktiven Auswirkungen der Leberschen hereditären Optikusatrophie primär der Sehnerv.

Grundsätzlich finden sich unter der Bezeichung „Lebersche kongenitale Amaurose“ verschiedene degenerative Erscheinungsformen der Aderhaut und Netzhaut, die in der Medizin häufig unter dem Begriff Netzhaut-Aderhaut-Dystrophien zusammengefasst werden.

Bezeichnend ist die einheitliche Ursache in Form einer Störung des in der Netzhaut (Retina) befindlichen Pigmentepithels. Diese wiederum resultiert schon fast zwangsläufig in einer Beeinträchtigung der Funktionsweise der Retina sowie in einem zunehmenden Verfall der Aderhaut.

Diskussion der Ursachen einer Leberschen kongenitalen Amaurose

Als Erbkrankheit ist die Lebersche kongenitale Amaurose genetisch bedingt. Vererbt wird sie in einem Grossteil der Fälle autosomal rezessiv. Weitaus seltener erfolgt eine Übertragung an die Kinder autosomal dominant.

Zu den eigentlichen Verursachern der Störung gehören verschiedene Mutationen. Insgesamt konnten bereits 15 Untergruppen benannt werden. Besonders auffällig ist hier die bedeutende Rolle, die die Homozygotien einiger Gene bei der Entstehung der Leberschen kongenitalen Amaurose spielen.

Ein hervorstechendes Beispiel für die Auswirkung von genetischen Mutationen auf die normale Funktionsweise der verschiedenen im Auge ablaufenden Prozesse ist das RPE65-Gen

Weist dieses Defekte auf, so kommt es automatisch zu der Veränderung eines Enzyms, das für die Regeneration des sogenannten Rhodopsins (Sehpurpurs) unverzichtbar ist. 

Das Resultat ist die hier im Zentrum stehende Funktionsstörung im Pigmentepithel der Netzhaut, die letztendlich ein Synonym für das Krankheitsbild „Lebersche kongenitale Amaurose“ ist.

Schätzungen zufolge wird eine Genmutation im RPE65-Gen bei rund 15 Prozent der Betroffenen als Verursacher der LCA (Amaurosis congenita Leber) angesehen.

Symptome & klinische Zeichen, die auf eine Lebersche kongenitale Amaurose hindeuten

Zu den charakteristischen Beschwerden, die eine LCA begleiten können, zählen eine drastische Minderung der Sehschärfe sowie extreme Gesichtsfeldausfälle, die letztendlich in einem vollständigen Verlust des Sehvermögens resultieren.

Eine reduzierte Blendeempfindlichkeit, Weitsichtigkeit und Linsentrübungen sind weitere Symptome, die im Verlauf einer Leberschen kongenitalen Amaurose auftreten können.

In einigen Fällen kann es zu einem Keratoglobus  oder Keratokonus (Vorwölbungen der Kornea) sowie in Verbindung mit einem Strabismus (Schielen) auch zu einem sogenannten Nystagmus (Augenzittern) kommen.

Während die Lebersche kongenitale Amaurose im Anfangsstadium nur wenig Auffälligkeiten zeigt, kommt es mit fortschreitender Krankheit zu eindeutigen Schäden.

Diese äussern sich unter anderem in Form von Depigmentierungen, die mittels bildgebender Verfahren nachgewiesen werden können, sowie einer Sehnerv-Atrophie, sprich einem irreversiblen Gewebeschwund des Sehnervs (Nervus opticus).

Exkurs: Wann der Gang zum Augenarzt unaufschiebbar wird

Generell empfiehlt sich die umgehende Konsultation eines Augenarztes, sobald es zu einer der genannten Beschwerden oder anderen Augenleiden kommt.

Da sich die Beeinträchtigungen der Sehkraft, die mit einer Leberschen kongenitalen Amaurose einhergehen, zumeist direkt nach der Geburt zeigen, sind die fachgerechte Diagnose und Behandlung durch einen kompetenten Arzt in der Regel automatisch gegeben.

In der Folgezeit gilt, dass, sollten keine regelmässigen Kontrolluntersuchungen anberaumt werden, ein sofortiger Arztbesuch grundsätzlich immer dann ansteht, wenn es zu Einschränkungen in der Sehkraft oder anderen Beschwerden der Augen kommt.

Dies ist besonders dann der Fall, wenn bereits eine Lebersche kongenitale Amaurose festgestellt wurde, zumal eine ausgeprägte Symptomatik bei diesem Krankheitsbild unbehandelt rasch zur vollständigen Erblindung der betroffenen Person führen kann.

Werdenden Mütter, bei denen eine Lebersche kongenitale Amaurose festgestellt wurde, wird zu der Durchführung eines Gentests geraten, da dieser die Chancen auf eine frühzeitige Diagnose und erfolgversprechende Behandlung ihres Kindes massgeblich erhöht.

Diagnostische Verfahren zur unzweifelhaften Diagnose der Leberschen kongenitalen Amaurose

Eine Grundvoraussetzung für eine möglichst gute Prognose ist die frühzeitig einsetzende Therapie. Gerade wenn es sich bei den Patienten um kleine Kinder handelt, kann diese den Krankheitsverlauf inklusive der Heilungschancen entscheidend beeinflussen.

Doch wie dürfen Sie sich die Vorsprache beim Augenarzt nun eigentlich genau vorstellen?

Der Prozess der Diagnosefindung wird in der Regel durch eine Anamnese eingeleitet. Diese liefert dem Arzt wichtige Hintergrundinformationen zu der Krankengeschichte, den aktuellen Beschwerden sowie eventuellen ähnlichen Krankheitsbildern in der Familie der Betroffenen.

Im Anschluss erfolgt eine gründliche Untersuchung der hinteren Augenabschnitte, die jedoch in der Regel erst im fortgeschrittenen Stadium eindeutige Befunde erbringt. 

Diese können sich in unterschiedlicher ‹Gestalt› und Ausprägung zeigen. Besonders häufig auftretende Beispiele sind Verengungen der Blutgefässe, irreversible Defekte im Pigmentepithel, Optikusatrophie, sprich ein Zurückbilden des Sehnervs, sowie Ablagerungen, die die Form von kleinen Knochen aufweisen.

In einem dritten Schritt erfolgt die sogenannte elektrophysiologische Untersuchung. Diese dient sowohl der Abgrenzung von anderen erblich bedingten und ähnlich verlaufenden Krankheiten als auch einer eindeutigen Zuordnung der vorliegenden Beschwerden. 

Im Rahmen der Elektroretinographie, kurz ERG genannt, lässt sich eine Lebersche kongenitale Amaurose bereits im Anfangsstadium feststellen, da bei dieser Erkrankung die gewohnten Reizreaktionen ausbleiben. 

Konkret handelt es sich dabei um einen Funktionsausfall der für die Reizantworten zuständigen Stäbchen und Zapfen. Vergleichbare Ergebnisse liefern auch das multifokale Elektroretinogramm (mfERG) sowie das Elektrookulogramm (EOG).

Differentialdiagnosen: Beispiele für Krankheitsbilder, die eine Verwechslungsgefahr mit der LCA in sich bergen

Die Liste der Krankheiten und Beschwerden, von denen die Lebersche kongenitale Amaurose abgegrenzt werden muss, ist lang. An dieser Stelle können daher nur einige der Krankheitsbilder beispielhaft erwähnt werden.

  • Früh einsetzende Retinitis pigmentosa (RP): Diese unterscheidet sich von der LCA durch ein Auftreten im fortgeschrittenen Lebensalter, eine geringere Beeinträchtigung der Sehschärfe sowie das Fehlen eines Nystagmus.
  • Angeborene stationäre Nachtblindheit: Geprägt ist dieses Krankheitsbild im Vergleich zur LCA von einer deutlicheren Sicht, spezifischen ERG-Mustern sowie Kurzsichtigkeit.
  • Infantile Refsum-Krankheit (IRD): Hierbei handelt es sich um eine sehr ernste Krankheit, die im schlimmsten Fall zum Tod führen kann. Im Alter von sechs bis 12 Monaten kann es zu einer Beeinträchtigung der Netzhaut kommen, die kontinuierlich fortschreitet und bereits im Alter von zwei Jahren den vollständigen Verlust der Sehkraft auslösen kann.
  • Weitere Erkrankungen, von denen die Lebersche kongenitale Amaurose unterschieden werden muss, sind die Ptosis, Diabetes mellitus, Achromatopsia, die frühkindliche Netzhautdystrophie und viele andere.

Therapeutische Herausforderungen & Möglichkeiten (Gentherapie)

Dass eine schlechte Prognose zusammen mit der fehlenden Aussicht auf Heilung typisch für den Verlauf einer Leberschen kongenitalen Amaurose sind, ist eine Annahme, die zum Glück nach neuesten Erkenntnissen nur als überholt bezeichnet werden kann. Die Gentherapie erzielt erste Erfolge hinsichtlich einer möglichen Behandlung. Das Zauberwort lautet hier schlicht und einfach „Luxturna“.

Was sich dahinter verbirgt?

Eine Genersatztherapie für Patienten, die unter einer LCA mit RPE65-Mutation leiden. Nach der Zulassung des Präparates in der EU dürfen Betroffene aufatmen. 

Denn die Injektion von „Luxturna“ verspricht zwar keine Heilung, aber eine eindeutige Verbesserung der ‹Sichtverhältnisse›. Diese erfolgt in erster Linie durch den Transport einer makellosen Version des in Mitleidenschaft gezogenen Gens RPE65 in die Retina. 

Verabreicht wird Luxturna mittels Injektion direkt unter die Retina. Dort erzeugt die Kopie des RPE65-Gens ein Enzym, dass die Regeneration der Zellfunktion vorantreibt. 

Auf diese Weise kann der zunehmenden Zerstörung des Gewebes durch das defekte Gen Einhalt geboten und das Sehvermögen erhalten bzw. im Idealfall sogar teilweise wieder hergestellt werden.

Ein weiterer Pluspunkt ist die gute Verträglichkeit des Präparates, das seine heilbringende Kraft nahezu vollständig ohne das Auftreten von Nebenwirkungen entfaltet. 

Lediglich der Eingrifff an sich kann unter anderem zu Hautreizungen, einem überdurchschnittlich starken Innendruck der Augen sowie Entzündungen führen. Jedoch bilden sich diese Beschwerden in einem Grossteil der Fälle nach einer Weile von selbst wieder zurück.

Behandlungserfolge umfassen unter anderem eine deutliche Verbesserung der Sicht im Dunkeln, die sicherstellt, dass sich die Betroffenen selbst bei schlechten Lichtverhältnissen mühelos zurechtfinden können.

Weiterführende Forschungen dienen dazu, Präparate für den Austausch anderer defekter Gene zu entwickeln.

Eine Massnahme zur Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität durch eine Linderung der Symptomatik, allen voran die erhöhte Lichtempfindlichkeit, ist das Tragen einer Sonnenbrille.

Verlauf, Prognose & Prävention: das Wichtigste auf einen Blick

Dass die Prognose unter anderem von dem Alter der Patienten sowie der Ausprägung der Erkrankung abhängt, wurde bereits angedeutet. Grundsätzlich gilt: 

Je jünger die Betroffenen sind und je früher die Therapie einsetzt, desto besser sind die Chancen auf eine Regeneration. 

Erfahrungsberichte schlagen vor, dass die Injektion von Adenoviren in die Retina zu einer Verbesserung des Sehvermögens und im Idealfall vielleicht sogar zu einer vollständigen Wiederherstellung der Sehkraft führen kann.

Jedoch gibt es hier noch keinerlei Forschungsergebnisse, die die Aussage erlauben, dass die Präparate bei unterschiedlichen Patienten einen einheitlichen Effekt erzielen. 

Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang der Hinweis auf den oftmals leidigen Teufelskreis, der durch die Erkrankung ausgelöst wird. 

Dieser bedingt bei erfolglosen Behandlungsversuchen einen allgemeinen Abfall der emotionalen Stimmung, der wiederum weitere Einbussen in der Lebensqualität der Betroffenen und einen insgesamt unvorteilhaften Krankheitsverlauf begünstigt.

Da es sich bei der Leberschen kongenitalen Amaurose um eine vererbte Krankheit handelt, die von Geburt an besteht, erweisen sich eventuelle Bemühungen einer Prävention als aussichtslos.

Paare mit Kinderwunsch können eine Vererbung verhindern, indem Sie vor einer geplanten Schwangerschaft genetische Tests durchführen lassen, die die Wahrscheinlichkeit aufzeigen, dass ihr Kind ebenfalls an der LCA erkrankt.

Massnahmen zur Steigerung bzw. zum teilweisen Erhalt der Lebensqualität Betroffener: ein Fazit

Abschliessend ist zusammenzufassen, dass die Lebersche kongenitale Amaurose zu den genetisch bedingten Krankheiten gehört, die (noch) nicht vollständig geheilt werden können.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass die Betroffenen lernen, sich ihrer neuen gesundheitlichen Situation inklusive aller damit verbundenen Einschränkungen anzupassen. 

Dabei bedeutet eine Annahme keinesfalls eine Resignation. Vielmehr ist diese von dem Gedanken geleitet, die Betroffenen dazu zu motivieren, ihre Energie auf eine Verbesserung ihrer Lebenssituation selbst bei einer gravierenden Beeinträchtigung ihrer Sehfähigkeit zu richten, anstatt sich selbst aufzugeben.

Regelmässiger Sport, eine gesunde Ernährung und liebevolle Beziehungen sind das Grundgerüst von Harmonie, Ausgeglichenheit und körperlicher Fitness. 

Bei diesem ‹Kraftpaket› haben depressive Verstimmungen, Angst und Unsicherheit keine Chance, selbst wenn die Aussicht auf eine vollständige Erblindung wie ein allgegenwärtiges Schreckgespenst den Alltag verdunkelt.

Regelmässige Check-ups bei Ihrem Augenarzt sind ebenfalls ein Muss, um eine unerwünschte Entwicklung rechtzeitig erkennen und die notwendigen Gegenmassnahmen, wie zum Beispiel eine Gentherapie, einleiten zu können.

Quellen

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