Endokrine Orbitopathie (EOP): Schilddrüse und Auge
Inhaltsverzeichnis
- Definition, Häufigkeit und Alter
- Ursachen und Pathophysiologie der endokrinen Orbitopathie
- Symptome und klinische Erscheinungsformen der endokrinen Orbitopathie
- Klassifikation der EO: NOSPECS- und LEMO-Schema
- Zusammenhang mit der Schilddrüse
- Diagnostik der endokrinen Orbitopathie
- Verlauf und Prognose
- Behandlungsmöglichkeiten
- Fazit
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Definition, Häufigkeit und Alter
Die endokrine Orbitopathie (EO), auch als thyreotoxische Orbitopathie oder Morbus Basedow-Orbitopathie bekannt, ist eine entzündliche Erkrankung des Gewebes in der Augenhöhle und tritt oft bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse, insbesondere bei Morbus Basedow, auf. Diese Autoimmunreaktion kann bei etwa 20-25 % der Patienten mit Morbus Basedow zu EO führen und betrifft Frauen weitaus häufiger als Männer. Interessanterweise zeigen männliche Patienten, obwohl seltener betroffen, häufig schwerere Verläufe. Die Erkrankung manifestiert sich vorwiegend bei Menschen zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr, ist jedoch auch in jüngeren oder älteren Altersgruppen möglich. EO stellt nicht nur ein kosmetisches Problem dar, sondern kann auch das Sehvermögen beeinträchtigen und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinflussen. Die Ursachen und Mechanismen, die zur Entstehung dieser Erkrankung führen, sind komplex und werden weiterhin intensiv erforscht.
Ursachen und Pathophysiologie der endokrinen Orbitopathie
EO wird durch eine Autoimmunreaktion ausgelöst, bei der das Immunsystem fälschlicherweise Antikörper gegen den TSH-Rezeptor bildet. Dieser Rezeptor ist sowohl in der Schilddrüse als auch in der Augenhöhle zu finden, was eine direkte Auswirkung auf beide Organe erklärt. Im Fall des Morbus Basedow stimulieren diese Antikörper die Schilddrüse, was zur Überproduktion von Schilddrüsenhormonen (Hyperthyreose) führt. Gleichzeitig binden die Antikörper an Strukturen im Augenhöhlengewebe, wodurch Entzündungszellen angezogen werden. Diese Immunreaktion führt zu einer Schwellung der Augenmuskeln und einer Vermehrung des Fettgewebes in der Augenhöhle, was das charakteristische Hervortreten der Augen (Exophthalmus) verursacht. Der Krankheitsverlauf wird in eine aktive Phase unterteilt, die bis zu zwei Jahre dauern kann und von entzündlicher Aktivität geprägt ist, sowie eine inaktive Phase, in der die Entzündung nachlässt, jedoch oft dauerhafte strukturelle Veränderungen bleiben. Die Pathophysiologie der EO ist ein aktiver Forschungsbereich, da das Verständnis dieser Mechanismen zur Entwicklung neuer Therapieansätze beitragen kann.
Symptome und klinische Erscheinungsformen der endokrinen Orbitopathie
Die Symptome der endokrinen Orbitopathie können von Patient zu Patient unterschiedlich stark ausgeprägt sein und hängen stark vom Schweregrad und der Aktivität der Erkrankung ab. Sie treten in der Regel beidseitig auf, können jedoch auch einseitig auftreten und variieren von leichten Beschwerden bis zu erheblichen Beeinträchtigungen. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Exophthalmus: Hervortreten des Auges, das als das markanteste Merkmal der EO gilt.
- Periorbitale Schwellungen und Rötungen: Entzündungsbedingte Schwellungen und Rötungen der Augenlider und des umliegenden Gewebes.
- Eingeschränkte Augenbeweglichkeit: Beteiligung der Augenmuskeln, die oft zu Bewegungseinschränkungen und Doppelbildern führt.
- Trockenheit und Reizung der Augen: Ein ständiges Trockenheitsgefühl, häufig begleitet von Brennen, Tränenfluss und erhöhter Lichtempfindlichkeit.
- Fremdkörpergefühl: Viele Betroffene empfinden das Gefühl eines Fremdkörpers im Auge, was zu dauerhafter Reizung führen kann.
In schweren Fällen kann EO Hornhautschäden verursachen oder den Sehnerv durch Gewebeschwellung gefährden, was zu einem erheblichen Sehverlust führen kann.
Klassifikation der EO: NOSPECS- und LEMO-Schema
Zur Einschätzung der EO-Schwere und für eine optimale Behandlungsplanung werden das NOSPECS-Schema und das LEMO-Schema herangezogen. Das NOSPECS-Schema bietet eine Einteilung in sechs Schweregrade und ist besonders hilfreich für eine allgemeine Orientierung:
N – Keine Anzeichen oder Symptome, was die leichteste Form darstellt.
O – Nur Anzeichen ohne subjektive Beschwerden, wie ein leichter Exophthalmus.
S – Beteiligung des Weichgewebes mit Schwellungen und Rötungen, die das Augenlid betreffen.
P – Proptosis (Exophthalmus) oder Hervortreten des Auges, ein häufiges und typisches Zeichen der EO.
E – Augenmuskelbeteiligung mit Bewegungseinschränkung und häufig auftretenden Doppelbildern.
C – Hornhautbeteiligung, meist durch Austrocknung oder sogar Geschwüre.
S – Verlust des Sehvermögens aufgrund einer Kompression des Sehnervs.
Das LEMO-Schema unterteilt die EO hingegen nach vier Hauptmerkmalen, die gezielt auf spezifische Symptome und Strukturen der EO eingehen und bei der Behandlung eine gezielte Orientierung bieten:
Lidretraktion (zurückgezogene Oberlider),
Exophthalmus (Hervortreten des Auges),
Muskelbeteiligung (Bewegungseinschränkungen und Doppelbilder),
Optikusneuropathie (Schädigung des Sehnervs durch Druck).
Das LEMO-Schema ist besonders hilfreich für die Auswahl gezielter Therapieansätze und ermöglicht eine präzisere Differenzierung der Symptome.
Zusammenhang mit der Schilddrüse
EO ist eng mit Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse verknüpft, insbesondere dem Morbus Basedow. Bei dieser Erkrankung stimulieren TSH-Rezeptor-Antikörper die Schilddrüse zur Überproduktion von Hormonen, was zur Hyperthyreose führt. Diese Überfunktion verursacht typische Symptome wie Herzrasen, Nervosität, Zittern und ungewollten Gewichtsverlust. Die EO tritt zwar am häufigsten in Zusammenhang mit Hyperthyreose auf, kann aber auch bei normaler oder verminderter Schilddrüsenfunktion vorkommen, jedoch seltener und meist mit einem milderen Verlauf. Eine engmaschige Kontrolle der Schilddrüsenwerte ist bei Patienten mit EO entscheidend, da eine stabile Schilddrüsenfunktion den Verlauf der Augenkrankheit positiv beeinflussen kann. EO tritt häufig zusammen mit anderen Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse auf und weist so auf das komplexe Zusammenspiel von Schilddrüse und Immunsystem hin.
Diagnostik der endokrinen Orbitopathie
Die Diagnose der EO erfordert eine Kombination aus klinischer Untersuchung, Bildgebung und spezifischen Laboranalysen. Die Diagnostik ist entscheidend, um die Schwere der Erkrankung festzustellen und die richtige Therapie auszuwählen:
Augenuntersuchung
Eine umfassende Augenuntersuchung ist grundlegend. Die Sehschärfe wird überprüft, der Grad des Exophthalmus gemessen und die Beweglichkeit der Augen untersucht, um mögliche Einschränkungen zu erkennen. Besonders wichtig ist die Prüfung auf Doppelbilder, die durch die entzündete Augenmuskulatur verursacht werden können.
Bildgebung
Mithilfe von CT (Computertomographie) oder MRT (Magnetresonanztomographie) lässt sich die genaue Beschaffenheit der Augenmuskeln und des Fettgewebes in der Orbita darstellen. Diese Verfahren helfen, die Dicke der Muskeln zu messen und festzustellen, ob der Sehnerv durch die Entzündung unter Druck gerät. Bildgebende Verfahren sind zudem unerlässlich, um den Schweregrad der Entzündung zu beurteilen und die Behandlungsplanung zu optimieren.
Laborwerte
Die Bestimmung der Schilddrüsenhormone (TSH, T3 und T4) liefert wichtige Hinweise auf die Schilddrüsenfunktion, die für das EO-Risiko eine zentrale Rolle spielt. Abweichungen dieser Werte weisen häufig auf eine Schilddrüsenüber- oder unterfunktion hin, was den Verdacht auf EO verstärkt.
Autoantikörper
Die spezifischen Autoantikörper sind besonders entscheidend für die Diagnosestellung:
- TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK): Diese Antikörper stimulieren die Schilddrüse und sind typisch für Morbus Basedow.
- Thyreoglobulin-Antikörper (Tg-AK): Antikörper gegen Thyreoglobulin, die ebenfalls eine Autoimmunreaktion anzeigen.
- Thyroid-Peroxidase-Antikörper (TPO-AK): Sie richten sich gegen das Enzym Thyroid-Peroxidase und werden bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse, wie Morbus Basedow und Hashimoto-Thyreoiditis, gefunden.
Diese kombinierte Diagnostik hilft, den Schweregrad und die Aktivität der EO genau zu bestimmen und die Behandlung gezielt anzupassen.
Verlauf und Prognose
EO verläuft in der Regel in zwei Phasen. In der aktiven Phase, die bis zu zwei Jahre andauern kann, treten Entzündungen und Gewebeschwellungen auf, die zu erheblichen Beschwerden führen. Faktoren wie Rauchen, Stress und hormonelle Schwankungen können diese Phase verschlimmern und zu einer schwereren Ausprägung der Erkrankung beitragen. Die Prognose der EO hängt vom Schweregrad der Erkrankung und der rechtzeitigen Behandlung ab. Viele Patienten erleben nach der aktiven Phase eine inaktive Phase, in der die Entzündung abklingt, jedoch häufig strukturelle Veränderungen bestehen bleiben, wie etwa Exophthalmus oder eingeschränkte Augenbeweglichkeit. Durch eine frühzeitige Behandlung können viele dieser Schäden gemildert werden, jedoch bleibt bei schweren Verläufen das Risiko dauerhafter Beeinträchtigungen bestehen. Rauchen erhöht das Risiko eines schwereren Verlaufs und verschlechtert die Prognose erheblich.
Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlung der EO richtet sich nach Schweregrad und Aktivität und kann sowohl medikamentöse als auch chirurgische Optionen umfassen:
- Medikamente: In der akuten Phase werden oft Kortikosteroide eingesetzt, um die Entzündung zu reduzieren. Diese Medikamente können die Immunreaktion unterdrücken und die Gewebeschwellung lindern. In schweren Fällen kommen auch Immunsuppressiva wie Rituximab zum Einsatz, um das Immunsystem zu regulieren und die Entzündung in Schach zu halten.
- Strahlentherapie: Eine gezielte Strahlentherapie kann bei schweren Verläufen die Entzündung der Augenhöhle reduzieren und den Druck auf den Sehnerv lindern.
- Chirurgische Maßnahmen: Bei ausgeprägtem Exophthalmus oder drohendem Sehverlust ist eine chirurgische Dekompression der Orbita erforderlich. Auch operative Eingriffe an den Augenlidern und Augenmuskeln können bei bleibenden Symptomen notwendig sein.
- Schilddrüsenkontrolle: Die Steuerung der Schilddrüsenfunktion ist von großer Bedeutung für den Verlauf der EO. Die Behandlung der Hyperthyreose erfolgt je nach Ursache und umfasst oft Thyreostatika, Radiojodtherapie oder eine operative Entfernung der Schilddrüse.
Fazit
Die endokrine Orbitopathie ist eine ernsthafte Autoimmunerkrankung, die eng mit Morbus Basedow und anderen Schilddrüsenstörungen verknüpft ist. EO betrifft häufig Frauen im mittleren Lebensalter und kann erhebliche Einschränkungen der Lebensqualität mit sich bringen. Eine frühzeitige Diagnose und individuell angepasste Therapie sind entscheidend, um den Krankheitsverlauf zu kontrollieren und bleibende Schäden zu verhindern. Faktoren wie Rauchen beeinflussen den Verlauf negativ, und eine optimale Behandlung kann die Prognose erheblich verbessern.
Quellen
- Timothy L Jackson: Moorfields Manual of Ophthalmology, third edition, Seite 102-106.
- Nika Bagheri, Brynn N. Wajda: The Wills Eye Manual, 7th edition, Seite 148-151.
- Brad Bowling: KANSKIs Klinische Ophthalmologie, 8. Auflage, Seite 80-85.
- https://www.usz.ch/krankheit/endokrine-orbitopathie/
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