Tolosa-Hunt-Syndrom (Orbitaspitzensyndrom)
Inhaltsverzeichnis
- Was ist das Tolosa-Hunt-Syndrom (Orbitaspitzensyndrom)?
- Ursachen des Tolosa-Hunt-Syndroms
- Symptome und möglicher Krankheitsverlauf
- Diagnose Tolosa-Hunt-Syndrom: die wichtigsten Verfahren im Überblick
- Differenzialdiagnose
- Behandlungsmöglichkeiten im Diskurs
- Prognose: Wie gut sind die Heilungschancen?
- Fazit
- Quellen
Das Tolosa-Hunt-Syndrom ist eine chronische, nicht infektionsbedingte Entzündung der Orbitalregion und Umgebung der Fissura orbitalis superior, bestimmter Strukturen der Schädelbasis, der sogenannten Orbitaspitze und des danebenliegenden Sinus cavernosus. Das Leitsymptom sind starke Schmerzen hinter den Augen und ein Ausfall der augenbewegenden Muskeln sind für das sogenannte Tolosa-Hunt-Syndrom, kurz ths, bezeichnend. Wissenswertes rund um dieses vergleichsweise selten auftretende Augenleiden bietet Ihnen dieser Beitrag.
Was ist das Tolosa-Hunt-Syndrom (Orbitaspitzensyndrom)?
Bei dem Tolosa-Hunt-Syndrom, auch unter den Begriffen Ophthalmoplegie bzw. Ophthalmoplegia dolorosa bekannt, handelt es sich um eine schmerzhafte Lähmung der Augenmuskulatur und eine Sonderform des sogenannten Sinus-cavernosus-Syndroms.
Die Bezeichnung geht auf den spanischen Neurochirurgen Eduardo Tolosa und seinen US-amerikanischen Kollegen William Edward Hunt zurück, die das Phänomen zum ersten Mal beschrieben.
Tolosa wurde mit dem Krankheitsbild bei der Autopsie eines Patienten, der unter starken linksseitigen Trigeminusschmerzen und vollständiger Ophthalmoplegie litt, konfrontiert. Die Autopsie ergab zudem eine granulomatöse Entzündung im Sinus cavernosus, jenem erweiterten Venenraum in der an der vorderen Schädelbasis befindlichen harten Hirnhaut.
Hunt wiederum berichtete im Jahre 1961 von sechs Patienten mit einseitiger schmerzhafter Ophthalmoplegie.
Auf den Punkt gebracht beschreibt das Tolosa Hunt Syndrom, kurz ths, episodische orbitale Schmerzen, die gemeinsam mit einer Lähmung (Parese) eines oder mehrerer der dritten, vierten und/oder sechsten Hirnnerven einhergehen. Zumeist bilden sich diese spontan zurück, können jedoch in Abständen wiederkehren (rezidivieren) und vorübergehend nachlassen (remittieren). Das Tolosa Hunt Syndrom kann sowohl im Jugendalter als auch im Erwachsenenalter auftreten.
Ursachen des Tolosa-Hunt-Syndroms
Die Ophthalmoplegia dolorosa gilt als idiopathisch. Dies bedeutet, dass es sich um einen selbstständigen Krankheitszustand oder anders ausgedrückt um ein Leiden ohne bekannte Ursache handelt.
Als potentieller Risikofaktor für die Entstehung des Augenleidens gilt eine kürzlich aufgetretene Virusinfektion.
Symptome und möglicher Krankheitsverlauf
Zu den markantesten Kennzeichen des Tolosa-Hunt-Syndroms zählen das Auftreten einer Ophthalmoplegie oder einer schmerzhaften Ophthalmoparese. Während es sich bei der Ophthalmoplegie um eine vollständige Lähmung der extraokularen Muskeln (Abduzensparese, Trochlearisparese, Okulomotoriusparese), die für die Augenbewegungen verantwortlich sind, handelt, kommt es bei der Ophthalmoparese oftmals nur zu einer teilweisen Parese.
Die Betroffenen klagen unter anderem über Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Nackensteifigkeit, eine verschwommene Sicht, Lichtempfindlichkeit (Photophobie) und Doppelbilder.
Eine lymphozytäre, fibroblastische und plasmozytäre Infiltration des Sinus cavernosus und in einigen Fällen der Riesenzellen und Granulozyten: So lautet die Beschreibung der Pathologie des Tolosa-Hunt-Syndroms. Im Verlauf der Krankheit kann es zu einer Ausweitung der Beschwerden auf die Augenhöhlenspitze und die obere Augenhöhlenfissur kommen, die unweigerlich zu einer Beeinträchtigung des Sehnervs und damit auch des Sehvorgangs führt. Im Falle einer Beteiligung der Hirnnerven III, V und VI ist sekundär zudem die Entstehung einer granulomatösen Entzündung denkbar.
Diagnose Tolosa-Hunt-Syndrom: die wichtigsten Verfahren im Überblick
Für den erfahrenen Augenarzt bietet das einleitende Gespräch mit dem Patienten eine erste Orientierung, ob es sich bei dem beschriebenen Leitsymptom in der Orbitalregion, um das hier im Zentrum stehende Syndrom handeln könnte.
Die sich anschließende körperliche Untersuchung umfasst neben der ophthalmologischen Standardprüfung von Augeninnendruck, Sehvermögen und Pupillen auf Nystagmus, von Orbitaspitze und APD inklusive erweiterte Fundus- und Spaltlampenuntersuchung, auch eine komplette sensomotorische Untersuchung. Ein essentielles Element ist dabei die okulomotorische Untersuchung . Lidstärke, Ptosis, Gesichtsgefühl und Ermüdung sind weitere Anhaltspunkte, die auf das Syndrom verweisen können.
Als bevorzugtes bildgebendes Diagnoseverfahren gilt die MRT/MRA, die unter anderem jeweils vorliegende Einzelheiten einer der granulomatösen Entzündung zu liefern vermag.
Neueste Erkenntnisse sprechen für den Einsatz von hochauflösender 3D-Schädelbasis-MRT. CISS-MRT und 0, 6 mm-Schnittbilder mit und ohne Kontrastmittel sind wirksame Maßnahmen, um zuvor nicht sichtbare Bereiche wie Läsionen und Hirnnerven des Sinus cavernosus erkennbar zu machen.
Labortests dienen dazu, andere potentielle Krankheiten mit ähnlicher Symptomatik zu bestimmen.
Differenzialdiagnose
Bevor das vorliegende Beschwerdebild als Tolosa-Hunt-Syndrom eingestuft werden kann, müssen andere mögliche Krankheiten ausgeschlossen werden. In der Medizin spricht man in diesem Fall von einer sogenannten Ausschlussdiagnose.
Auf den Punkt gebracht zählen dazu die folgenden Krankheiten und Beschwerden:
- Infektionsprozesse: basale Meningitis, postvirales Syndrom, Syphilis, wiederkehrende Ohrinfektionen;
- Ischämische Erkrankungen: Blutung, ischämische Mononeuropathie;
- Autoimmunerkrankungen wie Lupus und Schilddrüsenerkrankung;
- Entzündliche Erkrankungen wie Granulomatose mit Polyangiitis und Sarkoidose;
- Anatomische Fehlbildungen, darunter die Sinus-cavernosus-Thrombose, Aneurysma und Pseudotumor cerebrii;
- Demyelinisierende Krankheiten wie Multiple Sklerose;
- Neoplastische Erkrankungen, darunter CPA-Läsion, neurogener Tumor, Schwannom, Meningiom und Hirnstammgliom bei Kindern sowie
- andere Krankheitsbilder darunter ophthalmologische Migräne, Kopftrauma und Diabetes mellitus.
Behandlungsmöglichkeiten im Diskurs
Im Zentrum der therapeutischen Bemühungen gegen die Entzündung im Orbitalis stehen orale Steroide. Diese sind nachweislich sehr effektiv und sorgen nach rund 3 bis 4 Monaten für ein Abklingen der Symptome. Auch Ptosis, Kopfschmerzen und andere Befunde der körperlichen Untersuchung gehen in diesem Zeitraum zurück. Eine weitere Behandlungsmöglichkeit, ist die Behandlung mit Kortikosteroide, um die Entzündung im Orbitalis zu bekämpfen. Bevor jedoch die Behandlung mit Kortikosteroide erfolgt, sollte dies unbedingt zuerst mit einem Augenarzt abgesprochen werden.
Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Erkrankungen, die im Rahmen der Differentialdiagnose als potentielle Ursache aufgeführt wurden, ausgeschlossen bzw. im Bedarfsfall behandelt werden. Ist dies nicht der Fall, dann kann die Steroidtherapie die Erkrankung noch verschlimmern. Ein Beispiel ist die Pilzinfektion der Orbita mit Pilz-Sinusitis oder bei immungeschwächten Patientinnen und Patienten die sogenannte Mukormykose.
Alternative Behandlungsmethoden, die bei einer Steroidresistenz mögliche Linderung versprechen, sind die Gamma-Knife-Strahlentherapie sowie eine Behandlung mit antimetabolischen Wirkstoffen, darunter Infliximab, Methotrexat und Mycophenolatmofetil.
Prognose: Wie gut sind die Heilungschancen?
Die Prognose des Tolosa-Hunt-Syndroms (Orbitaspitzensyndrom), welches sowohl im Jugendalter als auch im Erwachsenenalter auftreten kann, ist sehr gut. Bei einer Behandlung mit Steroiden ist in einem Grossteil der Fälle eine vollständige Genesung zu erwarten. Komplikationen beispielsweise in Form einer fehlerhaften Regeneration der Hirnnerven treten sehr selten auf. Der Verlauf kann schubförmig remittierend sein.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich hier festhalten, dass es sich bei dem Tolosa-Hunt-Syndrom um eine seltene und gut heilbare Krankheit handelt. Die charakteristischen Symptome sind starke Schmerzen in der Augenhöhle, hinter dem Auge und Lähmung von den Augenmuskeln, die durch den Nervus oculomotorius, Nervus trochlearis und Nervus abduzens innerviert sind. Ihr Augenarzt kann das Problem schnell beheben.
Quellen
- Timothy L Jackson: Moorfields Manual of Ophthalmology, third edition, Seite 116.
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