Frühkindliches Innenschielen

Frühkindliches Innenschielen

Kategorien: Syndrome & AugenerkrankungenVeröffentlicht am: 4. September 2023Von 7,2 min LesezeitAktualisiert: 5. September 2023

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Inhaltsverzeichnis

fruehkindliches innenschielen

Frühkindliches Innenschielen: Einleitung

Das früh-kindliche Innenschielen, auch als kindliche Esotropie oder Strabismus Convergens bekannt, stellt eine besondere Form des manifesten Strabismus im Kindesalter dar. Diese Form des Strabismus tritt bereits in dem ersten Lebensmonat / ersten Lebensmonaten. Das frühe kindliche Innenschielen ist eine der häufigsten Schielerkrankungen und oft kommt es dabei zu einem Innenschielen mit latenten Nystagmus (unkontrollierte, rhythmische Augenbewegungen).

Bei dieser Abweichung zeigen sich die Augen im Gegensatz zu gesunden Augen konstant oder intermittierend nach innen gerichtet. Diese Ausrichtung kann sowohl beim Blick in die Nähe als auch in die Ferne bestehen. Je weiter sich der Strabismus entwickelt – und insbesondere bei der vollständigen Ausbildung des visuellen Systems im ersten bis dritten Lebensjahr – kann dies zu schwerwiegenden Sehstörungen wie der Amblyopie, bekannt als „faules Auge“, führen.

Ursachen für frühkindliches Innenschielen

Normalerweise beginnt ab dem 3. Lebensmonat die Entwicklung des beiseitigen Sehens. Voraussetzung hierfür ist

  1. die zeitgerechte Entwicklung der Hirnareale, die erforderlich sind um die Informationen beider Augen gemeinsam auszuwerten und das Bild zu fusionieren (sensorische Fusion = Bildverschmelzung).
  2. Die Fähigkeit der Koordination, beide Augen gleichzeitig in Richtung der Mitte zu bewegen, um die richtige Augenstellung beider Augen für verschiedene Entfernungen zu haben. Die Bewegung beider Augen zu Mitte hin nennt man Konvergenz. Sie ermöglicht die motorische Fusion.

Die Ursachen für frühkindliches Schielsyndrom können vielfältig sein.

  • Genetische Faktoren: In Familien, in denen bereits Fälle von Strabismus bekannt sind, ist das Risiko für nachfolgende Generationen oft erhöht.
  • Muskuläre Fehlentwicklungen: Hier sind die Muskeln, die für die Bewegung der Augen verantwortlich sind, nicht korrekt entwickelt oder im Gleichgewicht.
  • Neurologische Störungen: Probleme im zentralen Nervensystem, die die Augenmuskulatur beeinflussen, können zu Innenschielen führen.
  • Refraktive Anomalien: Ein signifikanter Grad an Weitsichtigkeit kann das Risiko eines Innenschielen erhöhen.

Symptome

Das früh-kindlichen Innenschielen äussert sich nicht nur durch das sichtbare Schielen der Augen. Weitere Symptome und Zeichen können sein:

  • Grosser Schielwinkel: Hierbei ist der Abstand, um den ein Auge vom Fokus abweicht, besonders ausgeprägt.
  • Kreuzfixation: Bei der Kreuzfixation nutzt das Kind das rechte Auge, um nach links zu schauen und umgekehrt. Das kann zu Problemen bei der räumlichen Wahrnehmung führen.
  • Niedriger Refraktionsfehler
  • Augenzwinkern oder Augenkneifen: Oftmals versuchen betroffene Kinder, durch Zwinzern oder Kneifen der Augen ihre Sicht zu verbessern oder Doppelbilder zu eliminieren.
  • Kopfneigung oder -drehung: Um ein besseres Sehen zu ermöglichen oder Doppelbilder zu vermeiden, kann das Kind den Kopf neigen oder drehen und eine sog. kompensatorische Kopfhaltung einnehmen.
  • Dissoziiertes Höhenschielen

Diagnostik

Die korrekte Diagnostik des frühen kindlichen Innenschielen ist entscheidend, um eine effektive Behandlung zu gewährleisten und mögliche langfristige Sehstörungen zu verhindern. Eine genaue augenärztliche Untersuchung sollte so früh wie möglich durchgeführt werden, um die beste Prognose und Behandlungserfolge zu erzielen.

Es gibt weiterhin verschiedene Formen des Strabismus und verschiedene Einteilungen:

  • Primärer Strabismus: Strabismus ohne weitere ophthalmologische Erkrankungen.
  • Sekundärer Strabismus: Strabismus ist Folge einer anderen Erkrankung.
  • Manifester Strabismus (Heterophobie): Es besteht eine ständige Abweichung des betroffenen Auges, die nicht durch Fusion korrigiert werden kann.
  • Latenter Strabismus (Heterophorie): Beim latenten Strabismus ist eine Fusion möglich, eine Schielstellung wird nur eingenommen, wenn die Fusion aufgehoben wird.
  • Strabismus divergens: Außenschielen (Exotropie). Bei Heterophorie zeigt sich beim Abdecken im Abdecktest eine Einstellbewegung von außen nach innen.
  • Strabismus convergens: Innenschielen. Bei Heterophorie zeigt sich beim Abdecken im Abdecktest eine Einstellbewegung von innen nach außen.
  • Begleitschielen: Beim Begleitschielen (Strabismus concomitans) ist der Schielwinkel in allen Blickrichtungen etwa gleich groß. Meist ist der Seheindruck in Bezug auf räumliche Sehen gestört und auch das Sehen von Doppelbildern kann auftreten.

Anamnese

Die Sammlung von Informationen über die Gesundheitsgeschichte des Kindes und möglicherweise auch der Familie ist von zentraler Bedeutung. Fragen nach dem genauen Zeitpunkt des Auftretens des Schielens, der Familienanamnese bezüglich Schielen und anderen Augenerkrankungen sowie der Geburts- und Entwicklungsgeschichte können wertvolle Hinweise liefern.

Blickprüfung

Schon durch einfaches Beobachten, wie das Kind schaut und ob die Augen parallel ausgerichtet sind, kann ein erfahrener Augenarzt erste Hinweise auf das Vorliegen eines Schielens gewinnen.

Abdecktest (Cover-Test)

Durch das Abdecken eines Auges wird überprüft, ob das nicht abgedeckte Auge eine Bewegung zeigt, um ein Objekt zu fokussieren. Werden Augenbewegungen beobachtet, deutet dies auf eine Fehlstellung hin.

Lichtreflextest (Hirschberg-Test)

Dieser Test verwendet das Licht einer Taschenlampe, um den Reflex auf der Vorderseite des Auges, der Cornea, zu beobachten. Eine Abweichung des Reflexes von der normalen Position kann auf Schielen hinweisen.

Untersuchung der Pupillenreaktion

Eine Untersuchung der Reaktion der Pupillen auf Licht kann helfen, neurologische oder andere Erkrankungen zu identifizieren, die Schielen verursachen können.

Refraktionstest

Mit Hilfe von Augentropfen, die die Pupille erweitern und die Akkommodationsfähigkeit des Auges ausschalten, wird die genaue Brillenstärke ermittelt. Dies ist besonders wichtig, um festzustellen, ob eine Weitsichtigkeit vorliegt, die zum akkommodativen Innenschielen führen kann.

Untersuchung des Fundus

Durch eine fundoskopische Untersuchung, bei der die Netzhaut und der Sehnervenkopf betrachtet werden, können Anomalien oder Erkrankungen festgestellt werden, die das Schielen beeinflussen können.

Motilitätstest

Dieser Test überprüft die motorische Koordination und die Beweglichkeit der Augen in alle Richtungen und kann Hinweise auf eine mögliche Muskellähmung oder andere Muskelfunktionsstörungen geben.

Durch eine umfassende Diagnostik können die genaue Ursache und der Schweregrad des frühen kindlichen Innenschielen ermittelt werden. Diese Informationen sind essentiell für die Wahl der richtigen Therapie.

Differentialdiagnosen

Wenn bei einem Kind das Symptom des Schielens festgestellt wird, muss die genaue Ursache durch eine umfassende Untersuchung geklärt werden. Neben dem frühen kindlichen Innenschielen gibt es weitere Krankheitsbilder, die ähnliche Symptome zeigen können. Diese Differentialdiagnosen sind wichtig, um eine zielgerichtete und erfolgreiche Behandlung einzuleiten.

Pseudoesotropie

Hierbei handelt es sich um eine scheinbare Innenschielstellung, die vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern beobachtet werden kann. Ursache ist meist ein breiter Nasenrücken oder eine tiefe Augenfalte, die ein Schielen nur vortäuscht. Eine sorgfältige augenärztliche Untersuchung kann dieses Phänomen von einem echten Schielen abgrenzen.

Akkommodative Esotropie

Diese Form des Schielens tritt auf, wenn das Auge versucht, eine unkorrigierte Weitsichtigkeit auszugleichen. Durch den erhöhten Fokus-Aufwand (Akkommodation) kann ein Innenschielen entstehen. Die Korrektur durch geeignete Brillengläser kann das Schielen in vielen Fällen beheben.

Paralytisches Schielen

Eine Lähmung oder Schwäche eines oder mehrerer Augenmuskeln kann zu Schielen führen. Ursachen können beispielsweise eine Verletzung, Tumor, Vaskuläre Erkrankungen oder Infektionen sein.

Sensorische Esotropie

Diese Form des Schielens entsteht durch eine Beeinträchtigung der Sehfunktion, z.B. durch eine Trübung der Linse (Katarakt) oder eine Netzhauterkrankung. Wenn ein Sehorgan nicht klar sieht, kann es sich „ausschalten“ und schielen.

Kongenitale (angeborene) Esotropie

Hierbei handelt es sich um ein frühes kindliches Innenschielen, das ohne erkennbaren Grund kurz nach der Geburt auftritt. Dies ist zu unterscheiden von anderen Formen des kindlichen Schielens, die später auftreten oder durch andere Ursachen bedingt sind.

Deprivationsesotropie

Diese Form tritt auf, wenn das Sehen in einem Sehorgan durch eine Blockade, wie z. B. eine Katarakt, behindert wird. Das beeinträchtigte Auge kann dann nach innen oder aussen abweichen.

Bei der Feststellung von Schielsymptomen ist es essentiell, diese Differentialdiagnosen in Betracht zu ziehen und eine genaue Untersuchung vorzunehmen, um die zugrundeliegende Ursache richtig zu identifizieren und zu behandeln.

Behandlungsansätze

Je nach Ursache und Ausprägung des frühen kindlichen Innenschielens können unterschiedliche Therapieansätze in Betracht gezogen werden:

  • Brillen: Oftmals kann eine korrekt angepasste Brille mit der richtigen Dioptrienzahl helfen, das Innenschielen zu korrigieren oder zu reduzieren.
  • Augenmuskelchirurgie: Hierbei werden die Augenmuskeln operativ angepasst, um die Ausrichtung der Augen zu korrigieren.
  • Augenpflastertherapie (Okklusion): Ein Pflaster wird auf das bessere Auge gelegt, um das schwächere Auge zu stärken.
  • Medikamentöse Therapie: Augentropfen oder Injektionen können eingesetzt werden, um bestimmte Augenmuskeln zu stärken oder zu schwächen.

Prognose

Mit einer zeitnahen Diagnose und angemessener Therapie können viele Kinder mit früh-kindlichen Innenschielen ein normales Sehvermögen entwickeln. Es bleibt jedoch wichtig, regelmässige augenärztliche Kontrollen durchzuführen, um mögliche Veränderungen oder Herausforderungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Zusammenfassung

Das Schielsyndrom „früh-kindliches Innenschielen“ ist eine Augenerkrankung, bei der eines oder beide Augen ständig oder zeitweise nach innen weichen. Es manifestiert sich oft im frühen Kindesalter und kann durch genetische Faktoren, muskuläre Unausgewogenheiten, neurologische Störungen oder refraktive Anomalien verursacht werden. Unbehandelt kann es zu weiteren Sehproblemen wie Amblyopie führen. Eine frühzeitige Diagnose und entsprechende Therapie bei schielenden Kindern ist daher entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung und gute Sehprognose.

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