Aniridie

Kategorien: Syndrome & AugenerkrankungenVeröffentlicht am: 31. Mai 2023Von 6,8 min LesezeitAktualisiert: 10. August 2023

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Inhaltsverzeichnis

aniridie

Aniridie – wenn die Iris fehlt

Der Begriff Aniridie (engl. Aniridia) bedeutet im wörtlichen Sinne „ohne Iris“. Dabei handelt es sich um das teilweise oder vollständige Fehlen der Regenbogenhaut. Ursache ist eine genetische Fehlbildung, bei der das Auge nicht vollständig ausgebildet wird. Normalerweise schützt die Regenbogenhaut die Augen vor Lichteinfall. Bei von Aniridie betroffenen Menschen führt die Krankheit dazu, dass sich die Pupillen nicht oder nur teilweise schliessen und so ungehindert Licht eindringen kann. Zudem ist die Sehkraft entscheidend beeinträchtigt. In extremen Fällen kann es zu einer vollständigen Erblindung kommen.

Bei milderen Verlaufsformen leiden die Betroffenen abgesehen von den üblichen Verhaltensanpassungen nur an geringen Einschränkungen im Alltag. Sie können sogar den Führerschein erwerben. Im Laufe des Lebens können sich jedoch aufgrund des Gendefekts weitere Krankheiten bilden. Deshalb sind regelmässige Untersuchungen wichtig, um den Verlauf zu überwachen.

Was ist Aniridie?

Die Krankheit ist eine seltene genetische Augenerkrankung. Bei der Aniridie fehlt die Iris vollständig oder teilweise. Die Pupille erscheint ungewöhnlich gross, in manchen Fällen nimmt sie auch veränderte Form an. In der Regel sind beide Augen von der Krankheit von Geburt an betroffen. Andere Ausprägungen können aber auch erst im Laufe des Lebens auftreten. Neben der Iris können auch Linse, Netzhaut oder Sehnerv betroffen sein. Auch Hornhautveränderungen (Keratopathie) können auftreten.

Die Krankheit tritt bei Frauen und Männern gleichermassen auf, entweder allein oder in Verbindung mit anderen Symptomen. Diese können auch auf andere Grunderkrankungen zurückzuführen sein.

Was verursacht Aniridie?

Die Medizin geht davon aus, dass die Krankheit durch eine Veränderung des PAX6-Gens verursacht wird. Das Gen ist für die normale Entwicklung von Augen und Nerven von Bedeutung. Heterozygote Mutationen können zu einem Fehlen der Iris und der damit verbundenen Augenerkrankung führen.

Wer ist von Aniridie betroffen?

Aniridia wird autosomal-dominant vererbt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Elternteil mit Aniridia die Krankheit an die Kinder weitergibt, liegt bei 50 Prozent. Dennoch erkranken auch Menschen, die keine Familienangehörigen mit der Krankheit haben.

Symptome einer Aniridie

Zu den häufigsten Symptomen einer Aniridie gehören:

In manchen Fällen tritt Aniridie lediglich als Symptom einer anderen Krankheit auf. Dazu gehört etwa das WAGR-Syndrom. Das WAGR-Sndrom zeichnet sich durch Wilms-Tumore, Aniridie, genitale Anomalien und eine geistige Behinderung aus. Der Symptomkomplex kann auch in Verbindung mit schwerer Fettleibigkeit auftreten; in diesem Fall wird das Akronym WAGRO (O = obesity) verwendet. Ursache ist das Fehlen mehrerer Gene auf Chromosom elf. 

Auch beim Gillespie-Syndrom kann es zu einer Aniridie kommen. Die äusserst seltene Erbkrankheit geht mit Aniridie, einer verringerten Intelligenz und einer zerebellären Ataxie einher.

Diagnose einer Aniridie

Für gewöhnlich erfolgt die Diagnose bereits kurz nach der Geburt oder in den ersten Lebensjahren. Dabei fällt auf, dass lediglich ein dünner Rand der Iris zu erkennen ist.

Aniridie wird durch eine klinische Untersuchung diagnostiziert. Mithilfe der Spaltlampenuntersuchung kann der Augenarzt Iris- und Papillenanomalien, Hornhauttrübung und -vaskularisierung sowie Katarakt und Glaukom feststellen. 

Mit der sogenannten Fundoskopie können Netzhauterkrankungen und damit verbundene Fehlbildungen des Sehnervs nachgewiesen werden.

Die optische Kohärenztomographie (OCT) kann zur Dokumentation eingesetzt werden, ist jedoch bei Vorhandensein eines Nystagmus (unkontrollierte Bewegungen des Auges) schwierig durchzuführen.

Die Ultraschallbiomikroskopie (UBM) kann eine Hypoplasie der Iris nachweisen und ist insbesondere für Babys mit Hornhauttrübung ratsam. Unter einer Hypoplasie wird medizinisch eine genetisch bedingte Unterentwicklung eines Organs, Organteils oder Gewebes verstanden.

Im Rahmen der Diagnose sollte die Familienhistorie nicht ausser Acht gelassen werden. Ist ein Elternteil betroffen, wird dies sehr wahrscheinlich an das Kind weitergegeben.

Therapie einer Aniridie

Eine Heilung der Krankheit ist nicht möglich. Durch eine gezielte Behandlung kann die Sehkraft unter Umständen leicht verbessert werden. Dazu gehören regelmässige Untersuchungen der Augen, um etwaige Komplikationen rechtzeitig vorzubeugen. Häufig treten Katarakte und Glaukome auf, die weitere Behandlungen nach sich ziehen. 

Um die Augen vor Sonnenlicht zu schützen, empfehlen sich spezielle Brillen. Sie können ausserdem zu einer verbesserten Sehkraft beitragen. Darüber hinaus unterstützen spezielle Kontaktlinsen, die den Lichteinfall reduzieren und neben der Sehkraft das Aussehen des Auges verbessern. 

In manchen Fällen entfernt der Augenarzt die Iris operativ und ersetzt sie durch eine künstliche. Ähnlich wie die Kontaktlinsen kann diese Methode zu einem besseren Aussehen des Auges und einer reduzierten Lichtempfindlichkeit führen. 

Abhängig von der Ursache der Aniridie werden weitere, unter Umständen regelmässige Untersuchungen vorgenommen. Dabei wird insbesondere der ordentliche Verlauf der Erkrankung sichergestellt und etwaige Komplikationen ausgeschlossen. Bei spontan auftretenden Beschwerden sollte umgehend der Arzt aufgesucht und eine Verlaufskontrolle vorgenommen werden.

Etwa alle drei bis sechs Monate sollten an Aniridie erkrankte Menschen eine Untersuchung der Nieren per Ultraschall vornehmen lassen. Grund ist das erhöhte Risiko für das Auftreten eines Wilms-Tumors. Bei einer rechtzeitigen Diagnose besteht eine knapp 95-prozentige Heilungschance. Alle mit Aniridie in Verbindung stehenden Vorsorgeuntersuchungen sollten ein Leben lang durchgeführt werden. Nur so ist eine engmaschige Überwachung der Erbkrankheit möglich und Therapiemassnahmen können rechtzeitig eingeleitet werden.

Was sind mögliche Komplikationen einer Aniridie?

Aniridie kann zu zahlreichen Folgeerkrankungen führen, die kurz nach der Geburt oder im Verlauf des Lebens auftreten. In der Regel sind davon ältere Menschen betroffen, bei an Aniridie Erkrankten treten sie bereits in jungen Jahren auf. Dazu zählen unter anderem:

  • aniridiebedingte Keratopathie: Das Sehvermögen verschlechtert sich durch eine getrübte Hornhaut.
  • Glaukom: Ein erhöhter Augeninnendruck entsteht. Häufig tritt dies bei Teenagern mit Aniridie auf.
  • Katarakt: Trübung der Linse und eine damit verbundene Verschlechterung des Augenlichts.
  • Sehnerv: Der Sehnerv ist für das Senden visueller Informationen an das Gehirn verantwortlich. Ist seine Funktion eingeschränkt, beeinträchtigt dies auch das Senden der Informationen. 
  • Netzhautriss oder -ablösung: Eine Netzhautablösung kann zu einem schweren Sehverlust führen und muss daher im Rahmen eines chirurgischen Eingriffs korrigiert werden. 
  • Keratitis: Keratitis ist eine Erkrankung, bei der verschiedene Symptome auftreten, die die Hornhaut (Cornea) betreffen. Die Cornea ist der transparente vordere Teil des Auges, der die Iris und die Pupille bedeckt. Diese Symptome werden durch einen Mangel an Stammzellen in der Lumbalregion verursacht.

Die oben genannten Komplikationen führen häufig zu einer verschwommenen Sicht, Blindheit in einem Teil des Gesichtsfeldes sowie Lichtblitze und Augenschmerzen. Die seltene Krankheit kannn – wenn sie nicht rechtzeitig erkannt wird – zu Erblindung und schwerwiegenden Folgeerkrankungen wie beispielsweise einen Nierentumor führen.

Der Umgang mit Aniridie im Alltag

Sind Kinder von der Krankheit betroffen, können sie in den meisten Fällen eine reguläre Schule besuchen. Mit der Unterstützung des Umfelds und gewissen Hilfestellungen kann die/der Betroffene gut mit der Krankheit umgehen. 

Blendeempfindungen sind für Betroffene äusserst schmerzhaft und können zu einer weiteren Beeinträchtigung der Sehkraft oder Unsicherheit in der Bewegung führen. Vor allem deshalb helfen im Umgang mit Aniridie spezielle Verhaltensregeln. So können schmerzhafte Erfahrungen durch wechselnde Lichtverhältnisse in Beruf oder Schule vermieden werden.

Eine weitere Unterstützung ist das Anpassen stark reflektierender Oberflächen im schulischen oder beruflichen Umfeld. 

Prognose

Die Prognose ist ungünstig. Eine Heilung der Erkrankung ist bislang nicht möglich. Häufig kommt es im Verlauf zu einer weiteren Verschlechterung der Symptome wie einem Anstieg des Augeninnendrucks sowie einer Trübung der Linse oder der Hornhaut. In diesen Fällen wird die Sehkraft abermals abgeschwächt. Gleichzeitig können sich weitere Erkrankungen entwickeln, die die Heilungschancen erheblich beeinträchtigen. 

Wird eine Behandlung aber zeitnah eingeleitet und die Diagnose entsprechend frühzeitig gestellt, können verschiedene Therapien eine leichte Verbesserung bewirken. Weil die Erkrankung genetisch bedingt ist, können die Massnahmen nur eine begrenzte Verbesserung des Sehvermögens bewirken. 

Bei bestimmten erblich bedingten Erkrankungen, wie der angeborenen Aniridie, bei der die Regenbogenhaut fehlt, oder durch Verletzungen der äußersten Schicht der Hornhaut, ist es nicht mehr möglich, dass die Epithelzellen nachwachsen. Forscher im Biologischen Labor versuchen daher, diese Zellen im Rahmen eines Stammzellen-Projekts künstlich heranzuzüchten.

Quellen

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